Schulter
Rotatorenmanschette
Die Muskeln, die die Schulter bewegen, finden nicht auf dem Oberarm ihren Ursprung, sondern auf dem Schulterblatt.
Auch wenn die meisten Patienten mit Sehnenschaden des Schultergelenkes über Oberarmschmerzen klagen.
Dieser Sehnenkomplex, genannt Rotatorenmanschette, wird von 4 Muskeln gebildet, die vom Schulterblatt zum Oberarmkopf ziehen und damit die Beweglichkeit des Armes zur Seite, nach vorne, nach aussen und nach innen gewährleisten. Nicht nur durch einen Unfall, sondern häufig durch einfache Verschleisserscheinungen kann es zu einem Schaden oder sogar einem Riss einer oder mehrerer Sehnen kommen, was sich in einer eingeschränkten Beweglichkeit und Schmerzen äussert.
Die Feststellung der Ursache der Schulterschmerzen erfolgt in folgenden Schritten:
Zunächst die Untersuchung der Funktionseinschränkung durch den Arzt und abhängig von dem Ergebnis Einleitung einer konservativen Behandlung im Sinne einer Physiotherapie, Medikamenten-Einnahme etc. Die Mehrzahl der Beschwerden lässt sich dadurch erfolgreich behandeln. Sollte diese Behandlung innert 6 Wochen nicht einschlagen, müsste die Untersuchung durch eine Bildgebung erweitert werden.
Sollte die erste Untersuchung beim Arzt einen Verdacht auf einen grossen Schaden der Schulterstrukturen ergeben, wird diese gleich durch eine radiologische Zusatzuntersuchung erweitert. Zur Verfügung stehen hier Röntgenaufnahmen, eine Ultraschalluntersuchung, Computertomographie und Kernspintomographie (MRT).
Die meisten Informationen über das Ausmass des Schadens liefert mit Sicherheit die Arthro-MRI, eine Untersuchung ohne Röntgenstrahlen, unter Verwendung vom Kontrastmittel. Aber auch hier bleiben 5-10% krankhafter Veränderungen unerkannt.
Nach einem Sturz mit einer Verletzung des Schultergelenkes verbessert sich der Schmerzzustand typischerweise innert wenigen Tagen. Deswegen wird der Unfall häufig bagatellisiert, was zu einer sehr späten Konsultation beim Arzt führt. Ein grosser Sehnenriss an der Schulter könnte bereits nach 3 Monaten nicht mehr reparabel sein.
Sämtliche Rotatorenmanschettenschäden, die reparabel sind, können minimalchirugisch unter Verwendung von Arthroskopie (Schlüssellochtechnik, Kameratechnik) versorgt werden. Nach einer Naht der Rotatorenmanschette wird der Arm für 6 Wochen Tag und Nacht auf einer sogenannten Schulterabduktionsschiene gelagert, so dass die frisch genähte Sehne nicht unter Zug kommt und in Ruhe heilen kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Patient in dieser Zeit keine intensive Physiotherapie bekommt, da gerade das nicht bewegte Schultergelenk durch Narbenbildung der Kapsel steif werden kann. Die Übungen erfolgen nach einem festgelegten Schema und werden durch eine passive Mobilisierung, z.B. durch eine Arthromotschiene ergänzt. Dauer der 100% Arbeitsunfähigkeit wird bei Büroangestellten auf 8 Wochen geschätzt, bei schwer körperlich arbeitenden auf über 3 Monate.
Impingement-Syndrom
Häufig sind Verletzungen der Rotatorenmanschette mit einem sogenannten Impingementsyndrom vergesellschaftet. Die Bezeichnung kommt vom englischen Wort "to impinge" und bedeutet so viel wie "zusammenstossen". Gemeint ist dabei, dass die Sehne des M. supraspinatus und der über ihr gelegene Schleimbeutel zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf eingeklemmt werden, d.h. dass das Gleiten der Sehne nicht mehr ungestört ablaufen kann. Ursächlich dafür kann zum einen ein Sporn am Unterrand des Schulterdachs bzw. eine knöcherne Anbauung bei Arthrose im Acromio- Clavicular- Gelenk (kurz AC-Gelenk) sein, zum anderen können aber auch Verkalkungen in der Sehne (siehe Kalkschulter) zu einem gestörten Gleiten der Supraspinatussehne kommen. Der Körper reagiert darauf mit einer Entzündung des Schleimbeutels und der Sehne oder sogar mit einem Teilriss der Sehne, was äusserst schmerzhaft sein kann und neben Überkopfbewegungen auch das Schlafen unmöglich machen kann.
Sind konservative Therapieversuche fehlgeschlagen, bietet sich ein Eingriff an, bei dem der Platz für die Supraspinatussehne erweitert wird. Dies geschieht arthroskopisch, indem man mit einer Präzisionsfräse bestehende Anbauten von der Unterseite des Schulterdachs entfernt und so wieder mehr Platz für die Rotatorenmanschette schafft. Die Rehabilitation ist nach solchen Eingriffen relativ schnell, und in der Regel sind die Patienten nach 3-6 Wochen weitgehend beschwerdefrei und wieder arbeitsfähig.
Tendinitis calcarea (Kalkschulter)
Die Kalkschulter ist eine Erkrankung, bei der es zu kreideartigen Ablagerungen im Bereich einer oder mehrerer Sehnen der Rotatorenmanschette kommt. Die Ursache ist letztlich noch nicht genau geklärt. Man weiss aber, dass diese Erkrankung in verschiedenen Phasen verläuft und sich Zeiten weitgehender Schmerzfreiheit mit Zeiten starker Schmerzen abwechseln. Die Krankheit ist in der Regel selbstlimitierend, wie lange es beim Einzelnen dauert, ist jedoch nicht vorhersehbar und es gibt Fälle, die sich über Jahre hinziehen.
An Therapiemöglichkeiten gibt es in der ersten Reihe die Physiotherapie (in Kombination mit entzündungshemmenden Mitteln und evtl. Cortison-Injektionen), Needling (Durchstossen und Spühlen unter Ultraschall- oder Röntgenkontrolle) oder die Stosswellentherapie, bei der das Kalkdepot beschossen und zerstört werden soll. Es gibt aber Fälle, in denen diese Therapie erfolglos bleibt und man eine Entfernung des Kalkdepots arthroskopisch durchführt. Es gibt Patienten, die kurz nach solch einem Eingriff schon komplett beschwerdefrei sind, es gibt aber andere, bei denen die Beschwerden noch für einige Wochen anhalten, ehe sie abklingen. Eine operative Lösung wählt man nach Versagen den konservativen Therapiemöglichkeiten, meistens bei jahrelang wiederkehrenden Beschwerden. Nachdem sich die meisten Patienten aufgrund der Schmerzen eine gewisse Schonhaltung angewöhnt haben, steht nach der Entfernung des Kalkdepots eine intensive Physiotherapie zur Wiedererlangung der vollen Beweglichkeit der Schulter auf dem Programm.
Schulterinstabilität
Bei der Schulterinstabilität müssen zwei Arten unterschieden werden. Auf der einen Seite gibt es die angeborene (habituelle) Instabilität. Dies sind Patienten, die sich durch eine Überbeweglichkeit der Gelenke und sehr laxe Bänder auszeichnen, so dass der Oberarmkopf in allen Ebenen sehr stark verschiebbar ist. In der Regel reichen bei diesen Patienten Bagatellunfälle aus, um zu einer Luxation zu führen, teilweise können sie sogar bewusst ihre Schulter auskugeln. Diese Patienten werden nur in Ausnahmefällen operiert, vielmehr legt man Wert auf intensive Physiotherapie zur Kräftigung der Muskulatur.
Anders verhält es sich mit Patienten, die sich ihre Schulter bei einem Unfall auskugeln. Nach einer sehr kurzen Ruhigstellung im Schlauchverband und trotz Physiotherapie zur Muskelkräftigung besteht leider bei der Mehrzahl der jungen Patienten ein Instabilitätsgefühl, und sie haben bei bestimmten Bewegungen Angst, dass die Schulter erneut herausspringen könnte. Ursache hierfür ist meistens die Tatsache, dass es bei einer Luxation zur Verletzung der sogenannten Gelenklippe (Labrum, von der Beschaffenheit mit dem Meniskus im Knie vergleichbar) kommt und damit die Führung des grossen Oberarmkopfes in der relativ kleinen Pfanne nicht mehr gewährleistet wird. Während es bei älteren Patienten oftmals durch die Vernarbungen im Bereich der Kapsel und die reduzierte Elastizität der Weichtelte zu einer ausreichendem Stabilität kommt, neigen insbesondere jüngere Patienten zu erneuten Luxationen.
Gefürchtet wird dabei der Knorpelschaden, der eine vorzeitige Arthrose verursachen kann. Die Gefahr wächst hier parallel zur der Zahl der Auskugelungen.
An Therapiemöglichkeiten stehen arthroskopische und offene Verfahren zur Verfügung. Arthroskopisch wird die verletzte Gelenklippe (Labrum) bzw. Gelenkkapsel wieder an die Gelenkpfanne refixiert, um so eine Stabilität im Schultergelenk zu gewährleisten. Zusätzlich kann der häufig begleitende Knocheneinbruch des Oberarmkopfes (Hill-Sachs-Läsion) mittels einer darüber verlaufenden Infraspinatus-Sehne gefüllt werden (Remplissage). Dieses kombinierte Vorgehen ergibt eine verlässlichere Methode gegen eine erneute Schulterauskugelung als eine Gelenklippen-Rekontruktion allein.
Demgegenüber stehen arthroskopische oder offene Techniken einer Gelenkpfannenrekontruktion mittels Knochenblock aus dem Beckenkamm oder eine Verlagerung und Verschraubung eines Schulterblattvortsatzes (Proc. coracoideus) am unteren, vorderen Pfannenrand. Diese Technik, bekannt als Op. n. Latarjet, gewinnt in der letzten Zeit an Beachtung und wird oft als eine ultimative, operative Lösung angesehen. Etabliert hat sie sich mit Sicherheit bei Gelenkpfannenbrüchen oder bei Versagen einer Gelenklippenrekonstruktion.
Pathologien der langen Bizepssehne (SLAP-Läsion)
Der Musculus biceps besteht, wie der Name schon sagt, aus zwei Muskelbäuchen. Er setzt am Schulterblatt an 2 Stellen an. Die kurze Bizepssehne ausserhalb des Schultergelenkes und die lange Bizepssehne direkt am oberen Rand der Gelenkpfanne. Hier kann es Einrisse geben, die zu Schulterschmerzen und einer Einschränkung der Beweglichkeit führen. Betroffen sind hier häufig Patienten mit übermässiger Überkopfbelastung (Stuckateure, Maler, Hand- und Volleyballer etc.) Solche Verletzungen werden als SLAP- Läsion bezeichnet und können am besten durch ein MRT mit intraartikulärem Kontrastmittel dargestellt werden. Dank moderner arthroskopischer Verfahren können solche Risse im Bereich des Bizepssehnenankers versorgt werden, und die Patienten sind erfreulicherweise in der Regel sehr rasch wieder schmerzfrei und das ohne Kraftdefizit bei der Beugung des Unterarmes.
Arthrose des Schultergelenkes
Das Schultergelenk ist nicht so häufig wie das Knie oder Hüftgelenk von Arthrose betroffen. Die Beschwerden sind geringer und können über Jahrzehnte kompensiert werden. Schulterschmerzen, aber vor Allem die Gelenksteife führt den Patienten zum Arzt.
In der ersten Reihe ist hier ein wiederholter Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten und Physiotherapie zu empfehlen.
Bei fortgeschrittenen Krankheitsbildern klagen die Patienten häufig über eine eingeschränkte Körperhygiene und Schmerzen, die nicht nur bei Belastung, sondern zunehmend auch in Ruhe auftreten und in der Regel nur noch mit regelmässiger Einnahme von Schmerzmitteln auszuhalten sind. Gerade für diese Patienten stellt die Implantation von Schulterprothesen eine gute Option dar.
Bei einem Grossteil der Betroffenen zeigt sich ein komplexes Bild einer Arthrose der Schultergelenkes und eines ausgedehnten Risses der Sehnen. Das sind auch die Patienten mit dem meisten Leidensdruck: mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik, verbunden mit einem Funktionsverlust des Schultergelenkes. Die Schmerzen sind häufig invalidisierend und treten tagsüber, aber vor allen Dingen nachts auf.
Hier hat sich Implantation einer inversen Schulterprothese bewährt. Über Jahre hat sich sowohl die operative Technik, aber auch die Form der Endoprothese verbessert ( Prothesen-Design), so dass derzeit die Inverse Prothese mehr als die Hälfte aller implantierten Schulterprothesen bildet. Sie ist eine optimale Lösung nicht nur für Patienten mit Arthrosen und Sehnenrissen im Schultergelenk (Cuff Arthropathie), aber auch bei ausgedehnten Oberarmbrüchen. Klassisches Alter für diese Lösung liegt jenseits von 65 Jahren.